Vor kurzem hatte ich eine Antwort des Verkehrsministerium zum Deutschlandticket kritisiert. Als Antwort darauf erreichte mich eine erboste Replik aus dem Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr NRW – Abteilung 6, Referat B1 (Grundsatzfragen des Straßenverkehrs), die ich unten angehängt habe. Inhaltlich ist es quasi ein wenig Replik und viele Behauptungen, wie man sie auch Online von Autoverteidigern liest. Etwa, dass die Steuern alle Kosten decken würden und allerlei anderer Behauptungen, die aber allesamt unbelegt bleiben.
Die Fehler im Ministerium fangen schon bei der Energiesteuer (früher Mineralölsteuer) an, da behauptet wird, dass man dies auch den Einnahmen zurechnen kann, dabei ist es eine Umweltabgabe.
Natürlich will man nicht anerkennen, dass die Lagerung von KFZ auf Kosten der Allgemeinheit eine Subvention ist und zieht dann direkt auch Beispiele heran, die allerdings nichts mit Lagerung zu tun haben.
Mich wundert, ob die Menschen im Ministerium sich langweilen, dass diese so lange Schreiben verfassen können. Vielleicht hätte der Mitarbeiter diese Zeit lieber in Recherche stecken sollen, statt Behauptungen aneinanderzureihen.
Wie auch immer, bei so einer Antwort, wo man die Augen vor einseitiger Förderung von MEV verschließt, verwundert es natürlich nicht sonderlich, dass es mit der Verkehrswende nicht klappt. Scheinbar hat man nicht genug „Ökolobbyisten“ ins Verkehrsresort geholt, um die Perspektive aus der Windschutzscheibe zu beheben.

Antwort des Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr NRW – Abteilung 6, Referat B1 (Grundsatzfragen des Straßenverkehrs):
der Kollege aus der für den ÖPNV zuständigen Fachabteilung unseres Hauses hat Ihnen eine sachverständige, präzise Erläuterung zu der Frage gegeben, warum der Einführungs-Preis für das Deutschland-Ticket nicht dauerhaft zu halten ist.
Vor dem Hintergrund, dass Ihrer persönlichen Meinung nach das Geld nur „angeblich“ nicht reicht. Leider reicht es tatsächlich nicht.
Sie schreiben von „Subventionen“ für den MIV, Ihrer Vorstellung nach „Milliarden“ bis „Billionen“, und Sie sehen eine unfaire Ungleichbehandlung der Verkehrsträger.
Die „Billionen“ können wir vermutlich als schwungvolle Übertreibung an die Seite stellen, denn die gesamte statistische Wertschöpfung Deutschlands bleibt unter 4 Billionen. Dann müsste ganz Deutschland rund um die Uhr „Subventionen für die PKW-Fahrer“ erwirtschaften, und nichts sonst. Wenig plausibel.
Tatsache ist, dass sowohl die Bundesregierung als auch die Landesregierung praktisch seit Jahrzehnten, und zwar im Grundsatz ungeachtet der jeweils aktuellen Parteifarben, eine Politik des „Vorrangs“ zugunsten der öffentlichen Verkehrsmittel betrieben haben und inzwischen noch einmal deutlich massiver betreiben.
Der grundlegende Unterschied zwischen ÖPNV und MIV ist leider, dass die Menschen überwiegend nicht bereit (teilweise auch nicht in der Lage) sind, zugunsten ihrer Teilnahme am ÖPNV kostendeckende Preise zu zahlen, so dass hier ein tatsächlicher Subventionsbedarf entsteht, auf betriebswirtschaftlicher Basis.
Es gibt viele gute Gründe, die zum Ausgleich notwendigen Subventionen in das System zu stecken, nicht nur bei den Investitionen in die Netze, sondern insbesondere zugunsten der fortlaufenden, fahrplanmäßigen Betriebsleistungen, und gerade auch diese Landesregierung bekennt sich ausdrücklich dazu und tut ihr Möglichstes, wie Herr Minister Krischer richtig festgestellt hat.
Der MIV hingegen generiert weit mehr Einnahmen für die öffentlichen Hände als sie in den Straßenverkehr zurückgeben, schon allein durch die spezifischen Sondersteuern, die gezielt dem MIV auferlegt sind, namentlich: Energiesteuer, zusätzliche Klimaschutzabgabe (Emissionshandel), Kfz-Steuern. (Sowie natürlich die inzwischen gewaltigen Einnahmen aus der LKW-Maut.)
Im Ergebnis ist es faktisch so, dass die überschüssigen Einnahmen aus dem Straßenverkehr teilweise genutzt werden, um die Subventionen zugunsten des ÖPNV re-finanzieren zu können. Dadurch bezahlt letztlich auch der Geringverdiener im ländlichen Raum, der für sein Berufspendeln auf den PKW angewiesen ist, die günstige Monatskarte für den höheren Bürokraten im Ballungsraum.
Flächendeckende Straßennetze sind eine unverzichtbare Grundlage dafür, dass unser Gemeinwesen überhaupt funktionieren kann. Das würde sogar dann gelten, wenn es fast keine PKW gäbe, denn auch Feuerwehr, Müllabfuhr, ÖPNV-Busse, Paketlieferanten, Sozialdienste und viele mehr benötigen Straßen.
Kurz: ohne Straßen keine lebensfähige „Allgemeinheit“. Die Straßenflächen sind mit anderen Worten weit überwiegend „sowieso da“; die PKW verursachen keine spezifischen zusätzlichen Kosten.
Dass man in Wohngebieten, außerhalb der Innenstädte, PKW am Fahrbahnrand „kostenlos“ abstellen kann, ist eine bestimmungsgemäße Nutzung der Straßen und durch die Zahlung der Kfz-Steuer durchaus abgedeckt, auch wenn keine „Einzelabrechnung“ erfolgt.
(Hier müsste man eigentlich noch das Thema „Anliegerbeiträge zu kommunalen Straßen- und Erschließungskosten“ erörtern.)
Wenn Sie am Verbrauchermarkt gratis parken, bezahlt das vordergründig der Einzelhandel, legt aber unvermeidlich die Kosten auf Sie um.
Generell: Sprachlich zu suggerieren, die Autofahrer seien eine getrennte Gruppe und lebten auf anderer Leute Kosten, geht an der Lebenswirklichkeit vorbei:
Es gibt gegenwärtig etwa 11 Millionen Abonnenten des Deutschland-Tickets, aber fast 50 Millionen PKW, die von mindestens 60 Millionen Menschen oder mehr regelmäßig als Fahrer oder Mitfahrer genutzt werden. Da kann man jetzt, bei etwa 85 Millionen Bevölkerung, lange philosophieren, welche der Gruppen eher deckungsgleich ist mit „der Allgemeinheit“ bzw. welche Gruppe vom Rest der Gesellschaft profitiert.
Im Übrigen gehen Sie mit dem Subventionsbegriff unsachgemäß um. In Ihrer Sachlogik ist es auch eine Subvention, wenn Sie kostenlos eine Fußgängerzone durchstreifen, oder mit dem Fahrrad fahren, oder eine öffentliche Parkanlage frequentieren, oder die Hilfe der Polizei in Anspruch nehmen. Auch das gesamte Erziehungswesen ist dann ein einziger Subventionstatbestand, wo nur ein Teil der Bevölkerung „auf Kosten der Allgemeinheit“ Angebote nutzt. Man kann in Deutschland zehn Jahre oder länger an Universitäten studieren, praktisch geschenkt. Die Liste lässt sich endlos fortsetzen.
Es ist der Kern eines steuerfinanzierten Gemeinwesens, dass die Politik darüber entscheidet, welches Geld „der Allgemeinheit“ für welchen nützlichen Zweck ausgegeben wird, demokratisch.
Übrigens verursacht die gewissenhafte Beantwortung Ihrer Bürgeranfrage in unserem Haus Kosten von zumindest mehreren Hundert Euro, anteilig, die von der Allgemeinheit getragen werden müssen. Eine „Subvention“? Sicher nicht, das gehört zu unseren Aufgaben, als „gratis“ Bürgerservice.
Dann gibt es noch gewisse Teilnehmer der allgemeinen verkehrspolitischen Debatte, die von einer „Subventionierung“ sprechen, weil der MIV der Allgemeinheit angeblich übergroße Belastungen auferlegt, die dann „monetarisiert“, also fiktiv mit Geldwerten quantifiziert werden.
Solche Berechnungen werden seit Jahrzehnten angestrengt, auch unter dem Titel der sogenannten „Externen Kosten“.
Hier öffnet sich ein weites Debattenfeld, aber im Ergebnis ist es bisher nicht gelungen, nachvollziehbar zu machen, inwieweit der Straßenverkehr unter dem Strich tatsächlich größere Belastungen für die Allgemeinheit bedeutet als er ihr Vorteile bringt.
Es ist der Verkehrspolitik … erneut: partei-übergreifend … auch durchaus gelungen, erhebliche Fortschritte zu erzielen.
So ist von der Luftverschmutzung durch PKW, wie sie vor Jahrzehnten noch üblich war, im direkten Vergleich zu damals nur noch ein geringer Bruchteil übrig, durch immer weiter verbesserte Motorentechnik; 100 Prozent Perfektion sind natürlich schwer zu erreichen, aber auch daran wird gearbeitet.
Lärm, ein weiteres Umweltproblem „auf Kosten der Allgemeinheit“, wenn Sie so wollen, besteht fort, aber zum einen wird richtigerweise viel in Lärmschutz investiert, gerade auch an Autobahnen, zum anderen erzeugen auch die ÖPNV-Fahrzeuge Lärm, unvermeidlich, und teilweise weniger stadtverträglich.
Unabhängig von dieser Art akademischer Debatten, die nicht immer mit der Lebenswirklichkeit der Menschen im Einklang sind, können wir als Landesregierung nur Geld ausgeben, das im Haushalt zur Verfügung steht; gleiches gilt für die Bundesregierung und die Kommunen.
Mit hypothetisch-fiktiv aus der Luft gegriffenen Monetarisierungs-Bewertungen durch engagierte Lobbyisten kann die Landesregierung keine Verkehrsunternehmen bezahlen.
In Relation zu den jeweils erzeugten Verkehrsleistungen geben wir längst mit riesigem Abstand (d.h. ein Vielfaches) mehr für den ÖPNV aus als für die Straßennetze; was wir in Straßen investieren, dient weit überwiegend dazu, die Netze überhaupt basismäßig funktionsfähig zu halten, z.B. auch Brücken zu sanieren; hinzu kommen erhebliche Anstrengungen etwa zum Ausbau der Radwege, auch auf Kosten des MIV, wo Flächen umgewidmet werden.
Wenn Sie über konkretere Hinweise verfügen, wo Ihrer Meinung noch Geld eingespart werden könnte, das vermeintlich ungerecht dem MIV zugutekommt, lassen Sie uns das gern wissen.
Ihre suggestive Vorhaltung, wonach Herr Minister Krischer geradezu die Unwahrheit sage, weisen wir mit allem Nachdruck zurück.
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